Weniger Geburten, mehr Hebammen

Die deutsche Geburtenstatistik 2023 bietet detaillierte Einblicke in die Entwicklung des Landes.
Welches sind die wichtigsten Trends mit Blick auf die Arbeit der Hebammen und die Geburtshilfe?
Antworten auf die relevanten Fragen zur Datenerhebung und zu den neuen Zahlen.

Von Arnd Grosch

Wie viele Geburten gab es in Deutschland im Jahre 2023?
Beim Statistischen Bundesamt wurden etwa 693.000 Lebendgeborene verzeichnet. Das sind fast 46.000 weniger als 2022  (-6,2 %).
Bereits 2022 gab es einen Geburtenrückgang von 7,1 %.

Wie sieht der Trend für das Jahr 2024 aus?
Leider anhaltend schlecht: Das Statistische Bundesamt rechnet nach vorläufigen noch unvollständigen Angaben mit rund 677.000 Lebendgeborenen, was 2,3 % weniger Geburten als im Jahre 2023 bedeutet.
Die Nutricia-Geburtenliste weist mit 648.221 Geburten einen noch drastischeren Geburtenrückgang aus. Bei der Nutricia-
Liste handelt es sich um eine Direkterhebung bei den Kliniken, ihr Datenstand ist aktueller als der des Statistischen Bundesamtes
(Nutricia, 20.2.2025) .

Fazit: Die Geburtenzahlen stürzten von 2021 mit 795.492 auf etwa 677.000 ab im Jahr 2024. Das bedeutet 120.000 bis 150.000 weniger Kinder im Jahr 2024.

Gibt es Gründe für den Geburtenrückgang?
Es gibt viele Faktoren, die ursächlich zum Geburtenrückgang diskutiert werden, beispielsweise:

  • Unsichere geopolitische Lage mit
    Kriegen unter anderem in der Ukraine
    und im Nahen Osten
  • Klimawandel
  • Unsicherheit nach der Corona-Pandemie
  • Eine kürzlich noch instabile deutsche Regierung inmitten einer Krise der westlichen Demokratien
  • Migrationsängste
  • Geldentwertung durch Inflation
  • Wohnungsmangel und überhöhte Miet- und Immobilienpreise
  • Mangel an KiTa-Plätzen
  • Wenig Möglichkeiten zur Ganztagsbetreuung
  • Armutsrisiko von Alleinerziehenden
  • Trend zur späteren Familiengründung
  • Abnahme der Spermienqualität bei Männern. (Bujard, 2024).

Geburtenentwicklung und regionale Unterschiede gibt es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland?
Ja, es gibt deutliche Unterschiede. In Ostdeutschland (neue Bundesländer ohne Berlin) war der Geburtenrückgang 2023 mit -9,2 % stärker als in Westdeutschland (-5,9 %). Die Geburtenrate lag 2023 in Ostdeutschland bei 1,30 Kindern je Frau, in Westdeutschland bei 1,38.

Soziodemografische Faktoren

Welche Rolle spielen sozioökonomische Faktoren bei der Geburtenrate?
Sozioökonomische Faktoren haben einen erheblichen Einfluss auf die Geburtenrate. Faktoren wie Einkommen, Bildung und berufliche Situation beeinflussen die Entscheidung für Kinder und den Zeitpunkt der Familiengründung. Ein Indikator sind die Eheschließungen.
Diese sanken 2023 auf 361.000 Paare (-7,6 %), der zweitniedrigste Wert seit 1950.

Geburtentrends

Lässt sich ein Trend zu Mehrlingsschwangerschaften in den Daten von 2023 erkennen?
Ja, es gibt einen leichten Anstieg bei Mehrlingsschwangerschaften. 2023 waren etwa 1,8 % aller Geburten Mehrlingsgeburten. Dies ist teilweise auf die zunehmende Zahl von Kinderwunschbehandlungen zurückzuführen.

Wie hat sich die Zahl der Geburten bei Frauen über 40 Jahren entwickelt?
Die Zahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. 2023 machten sie etwa 6,3 % aller Geburten aus.

Wie hat sich das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes verändert?
Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. 2023 lag es bei 30,5 Jahren.

Medizinische Aspkte und Reproduktionsmedizin

Wie hat sich die Zahl der Frühgeburten im Jahr 2023 entwickelt?
Die Rate der Frühgeburten ist in den letzten Jahren stabil geblieben. 2023 lag sie bei etwa 8,5 % aller Geburten.

Wie viele Totgeburten gab es?
2022 gab es in Deutschland 3.247 Totgeburten. Die Rate lag bei 4,4 je 1.000 Geborene. Der europäische Medianwert liegt bei 3,2.

Wie viele Schwangerschaftsabbrüche gibt es in Deutschland?
2023 wurden rund 106.000 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet. 96 % erfolgten nach der Beratungsregelung. Die Zahl der Abbrüche ist in den letzten Jahren leicht gestiegen und auch für 2024 zeigt sich eine Steigerung.

Wie viele Kinder wurden durch IVF gezeugt?
Etwa 3 % aller Neugeborenen in Deutschland entstehen durch künstliche Befruchtung. Zwischen 1997 und 2014 kamen rund 250.000 Kinder nach IVF oder ICSI zur Welt. 2020 wurden über 22.200 Kinder nach Kinderwunschbehandlung geboren.

Wie viele Kinder wurden von Samenspendern gezeugt?
Schätzungen zufolge sind in Deutschland bisher über 100.000 Menschen durch Samenspenden entstanden. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar, da anonyme Spenden lange Zeit möglich waren.

Pandemieauswirkungen

Welche Auswirkungen hatte die COVID- 19-Pandemie auf die Geburtenrate in den letzten Jahren?
Die COVID-19-Pandemie hatte zunächst einen leichten Anstieg der Geburtenzahl im Jahr 2021 zur Folge (von 773.144 auf 795.492). Dem folgte die Senkung auf 738.819 Geburten im Jahr 2022 und auf 692.989 im Jahr 2023.

Teenager-Schwangerschaften und Adoptionen

Wie hat sich die Zahl der Teenager- Schwangerschaften in den letzten Jahren verändert?
Die Zahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. 2023 machten Geburten von Müttern unter 20 Jahren nur noch 1,0 % aller Geburten aus.

Wie viele Adoptionen gab es in Deutschland 2023?
Die Zahl der Adoptionen betrug 3.601 Fälle und war damit so gering wie noch nie. Die Stiefkindadoptionen sind dabei mit einem Anteil von 73 % auf neuem Höchststand. Die Kinder waren bei der Adoption im Schnitt 5,5 Jahre alt. In 3 % der Fälle waren die Paare gleichgeschlechtlich.

Geburtenfolge und Familienstand

Wie ist die Verteilung von Erst – gebärenden, Zweitgebärenden, Drittgebärenden?
Basierend auf den Daten von 2023:

  • Erstgebärende: 357.600 (46,5 %)
  • Zweitgebärende: 267.700 (34,8 %)
  • Drittgebärende: 101.100 (13,1 %)
  • Viertgebärende und weitere: 42.900 (5,6 %).

Wie viele Neugeborene gibt es von alleinerziehenden Müttern?

Genaue Zahlen zu Geburten von Alleinerziehenden sind nicht direkt verfügbar, aber aus dem Familienstand der Mütter lassen sich Einblicke gewinnen:

  • Verheiratet: 517.300 (67,2 %)
  • Ledig: 244.000 (31,7 %)
  • Geschieden: 7.400 (1,0 %)
  • Verwitwet: 600 (0,1 %).

Ein Teil der ledigen, geschiedenen und verwitweten Mütter ist wahrscheinlich alleinerziehend, aber nicht alle.

Internationaler Vergleich

Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
Deutschland liegt bei der Geburtenrate im europäischen Mittelfeld. Mit einer Geburtenrate von 1,36 Kindern je Frau liegt Deutschland 2023 leicht unter dem EUDurchschnitt. Die Erfolgsquoten bei künstlicher Befruchtung sind im internationalen Vergleich gut.

Migration und Geburten

Wie hoch ist die Zahl der Neugeborenen mit Migrationshintergrund, bezogen auf die Staatsangehörigkeit der Mutter?
Laut den Daten von 2023 hatten 500.670 Neugeborene eine deutsche Mutter (72,2 %). 192.319 Neugeborene hatten eine Mutter mit ausländischer Staatsangehörigkeit (27,8 %). Die letztgenannte Zahl hat sich seit 2014 fast verdoppelt.

Welches sind die stärksten Herkunftsländer?
Die Top 3-Herkunftsländer der Mütter mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind:
1. Syrien: 20.267
2. Türkei: 16.319
3. Rumänien: 14.388.

Kaiserschnittrate

Wie hat sich die Kaiserschnittrate entwickelt?
Die Kaiserschnittrate in Deutschland ist in den letzten Jahren stetig angewachsen und hat sich seit 1991 mehr als verdoppelt. 2023 betrug die Kaiserschnittrate laut Statistischem Bundesamt 32,6 %.Lediglich etwa 10 % der Kaiserschnitte sind zwingend medizinisch notwendig (Kayser, A; dpa, 2025).

Für die übrigen 90 % gibt es zwei Tendenzen:

1. Mit dem Alter und dem Körpergewicht steigt die Wahrscheinlichkeit einer Risikoschwangerschaft.
2. Der rechtliche Druck auf Geburtshelfer: innen, Risiken zu vermeiden, trägt ebenfalls zu häufigeren Sectiones bei.

Was können Hebammen tun?

Die Durchsetzung einer Eins-zu-eins-Begleitung der Gebärenden senkt die Kaiserschnittrate (vgl. Knape et al., 2013). Achtsam sein. Faustregel: In einer Geburtsklinik (Level 4) oder in einem Haus mit perinatalem Schwerpunkt (Level 3) ist eine Sectiorate von 25 % gut. Bei einer Sectiorate von über 35 % finden sich in aller Regel Defizite im Personalbereich (zum Beispiel Unterbesetzung aus Kostengründen) und/oder im Prozessmanagement.

Wo liegt die deutsche Kaiserschnittrate im internationalen Vergleich?

Innerhalb Europas liegt Deutschland im Mittelfeld.

Wie sieht es weltweit mit der Kaiserschnittrate aus?

Die Türkei führt mit derzeit 60,1 % die Sectiorate an. Es folgen mit 58,1 % die Dominikanische Republik, gefolgt von Zypern (56,9 %) und Brasilien (55,5 %), vor Rumänien mit 40,1 % und Bulgarien (39,1 %). Die geringsten Kaiserschnitt – raten finden sich in Israel (16,1 %), Norwegen (16,1 %) und Schweden (17,4 %). Kaum verfügbar sind Kaiserschnitte in einigen afrikanischen Staaten wie Süd- Sudan (1 %), Tschad (1,4 %) und Niger (ebenfalls 1,4 %). (Quelle: World Population Review, 2025)

Hebammenversorgung und Geburtsorte Wo kommen die Kinder zur Welt?

Die große Mehrheit der Geburten findet in Krankenhäusern statt. Genaue Zahlen zu Geburten in Geburtshäusern oder Hausgeburten liegen nicht vor, aber es wird geschätzt, dass etwa 98 % der Geburten in Kliniken stattfinden, während der Rest sich auf Geburtshäuser und Hausgeburten verteilt.

Wie viele Geburtskliniken gibt es in Deutschland noch?

Aus Datenquellen kann man von 585 geburtshilflichen Kliniken ausgehen – bei 96 Schließungen in den letzten Jahren. Das deckt sich weitgehend mit Daten des Deutschen Hebammenverbands aus dem Jahr 2024.

Wie viele Hebammenkreißsäle gibt es?

Laut Deutschem Hebammenverband gibt es aktuell 63 Hebammenkreißsäle in Kliniken, davon sind 5 zertifiziert. Diese Einrichtungen bieten eine familienorientierte, interventionsarme Geburtshilfe an und gewinnen zunehmend an Popularität (DHV, 2025).

Wie viele Hebammen arbeiten in der Geburtshilfe?

Hier ist die Datenerhebung schwierig, da der Beruf nicht verkammert ist. Wurden in der IGES-Studie 2019 noch 11.200 Hebammen (Vollzeit und Teilzeit) genannt, sind es aktuell laut DHV 12.300 Hebammen. Ausgelöst durch die Reform der Hebammenausbildung
kommen bis 2027 neue Hebammen nicht nur aus den Hebammenschulen, sondern auch von den Hochschulen. Die genaue Zahl ist schwer zu beziffern. Einer Faustregel zufolge kommen auf eine Vollzeithebamme 100 Geburten pro Jahr. Geht man von einem Geburtenrückgang
von 120.000 seit 2021 aus, werden heute 1.200 Vollzeithebammen weniger benötigt als 2021.

Fazit und Diskussion

In der Geburtenstatistik 2023 setzt sich der Trend zu weniger Nachwuchs fort. Der realen Geburtenrate von 1,36 steht eine Wunsch-Geburtenrate von 1,9 entgegen. Die Abweichung resultiert zum Teil aus einem Unsicherheitsgefühl, das zum Aufschub von Familienplanungen führt. Die Geburtenrate in Deutschland reicht nicht aus, um die Todesfälle auszugleichen. 28 % der Neugeborenen haben eine Mutter ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Es bleibt abzuwarten, ob sich mit zunehmender Assimilation der ausländischen
Mütter deren Geburtenrate ändert. Die Sectiorate ist ein wichtiges Qualitätskriterium für eine geburtshilfliche Abteilung. Ein Durchschnittswert von 25 % sollte in Deutschland realisierbar sein. Voneinem  flächendeckenden Hebammenmangel in der stationären Geburtshilfe kann aktuell nicht mehr die Rede sein.

Die Eins-zu-eins-Betreuung unter der Geburt ist möglich, sofern die Klinikführunges will.  Mit den Instrumenten des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) ist das auch zu finanzieren. Aber der Krankenstand und Schwangerschaften von Hebammen, die kurze Verweildauer im Hebammenberuf und der Abgang der »Boomer-Hebammen« werden immer wieder Lücken in die Hebammenversorgung der Kreißsäle reißen. Flexible Personalkonzepte und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Hebammen werden kritische Erfolgsfaktoren für das Management geburtshilflicher Abteilungen sein. Der Trend zu späteren Geburten, die steigende Zahl von Risikogeburten, die Zunahme von Familien mit Migrationshintergrund sowie ein hohes Anspruchsdenken erfordern eine stete Anpassung der geburtshilflichen Versorgung.

Der Autor

Dr. med. Arnd Grosch ist
Arzt und Unternehmer.
Nach dem Studium war er Assistenzarzt in der Chirurgie, dann wechselte er in die pharmazeutische Industrie. Ab 1999 gründete er Unternehmen für Personaldienstleistungen im Gesundheitswesen, arbeitete für Kliniken, Krankenkassen und für die Pharma- und Med- Tech-Industrie. Seit 2018 ist er Geschäftsführer der Firma GHS Grosch Hebammen Service, die Zeitarbeit und Beratung in der Geburtshilfe anbietet.

Kontakt:

arnd.grosch@grosch-ps.de
www.grosch-hebammen-service.de

Quellen:
Bujard, M. (2024). Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. SWR-Interview 26.3.2024,
https://www.swr.de/wissen/geburtenrueckgang-ursachen-kinderwunsch-100.html

DHV (2024). Nüchtern betrachtet: Zahlen, Daten & Fakten zur Geburtshilfe in Deutschland.
https://hebammenverband.de/wp-content/uploads/2024/06/2024_DHV_Parl.Abend_Zahlen-Daten-Fakten.pdf

DHV (2025). Der Hebammenkreißsaal. Interprofessionelles Betreuungskonzept für die natürliche Geburt.
https://hebammenverband.de/hebammenkreisssaal

Kayser, A. (2025) Hohe Kaiserschnittrate in Deutschland: Ursachen und Hintergründe. Theime Gyn-Community.
https://gyn-community.thieme.de/aktuelles/panorama/detail/hohe-kaiserschnittrate-in-deutschland-ursachen-und-hintergruende-49272

Knape, N.; Schnepp, W.; Krahl, A.; zu Sayn-Wittgenstein, F. (2023). Die Effektivität der Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt. Eine Literaturübersicht. ZGN – Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie; 217(05): 161 – 172. DOI: 10.1055/s-0033–1355382 World Population Review (2025. C-Section Rates by Country. ‚
https://worldpopulationreview.com/countryrankings/c-section-rates-by-country

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